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Orte: Kaltenbrunn und Litschau (Ličov) in Nieder; österreich, Gerling, Haslach, Linz, Oepping, Peilstein im Mühlviertel und Sarleinsbach in Oberösterreich, Wien; Wegscheid in Deutschland u.a. Quellentypen: Tagebuch (Tagebuchaufzeichnungen zum Ende des 2. Weltkrieges) (in Abschrift); Korrespondenz (Freundinnenkorrespondenz): 1 Schreiben Zum Bestand: Schreiberin: Edith W., Lebensdaten unbekannt
Adressatin: Theresia P., Lebensdaten unbekannt
Übergeberin: Mag.a Ilse E. (Zufallsfund), 2022
Im November 1945 schrieb Edith W. (Pseudonym) aus Linz einen ausführlichen Brief an ihre Freundin Theresia P. (Pseudonym) in Litschau (Ličov) in n ördlichen Waldviertel. Die Verfasserin arbeitete zu dieser Zeit (vermutlich) in der Kanzlei des Landhaues in Linz und dürfte um die 20 Jahre alt gewesen sein. Informationen, die über den Inhalt des Briefes hinausgehen, liegen derzeit nicht vor. Das Schriftstück war ein Zufallsfund im Haus der Briefempfängerin, die darin mit "Liebe, alte Reserl!" angesprochen wird. Die Pseudonyme für beide Frauen wurden im Rahmen der Masterarbeit von Pauline B. (2023) vergeben.
Inhalt der 15seitigen maschingeschriebenen Post ist insbesondere die Abschrift des Tagebuchs der Briefschreiberin aus der Zeit von Mai bis Juli 1945. Damals befand sie sich gemeinsam mit ihrer Mutter, weiteren Verwandten und (befreundeten) Familien auf der Flucht von Litschau nach Linz: "Doch ich denke es wird Dich vielleicht interessieren etwas über unsere Flucht zu erfahren. Ich schreibe Dir einen kurzen Auszug aus meinem Tagebuch" (18. November 1945).
Darin beschrieb Edith W. die Situation auf ihrer Fluchtroute durch Nieder- und Oberösterreich, die Organisation von Transportmitteln - "HH. organisiert (nicht gerade stehlen, nur nehmen) einen Opel-Blitz Wagen" (12. Mai 1945) - und von Übernachtungsmöglichkeiten - "Die erste Nacht bei Bauern im Stroh" (11. Mai 1945). Dabei standen zunächst Spuren des Kriegsgeschehens, die direkte Konfrontation mit Gewalthandlungen sowie die durchaus unterschiedlich verlaufenden ersten Kontakte mit alliierten Besatzungssoldaten im Zentrum der Aufzeichnungen: "Wieder weiter. Die Straßen sind vollständig verstopft. Der erste Tote liegt auf der Straße. Wir sehen die ersten Amerikaner. Irmgard, Sigune und ich werden unter Decken versteckt. […] Erste Schokolade von den Franzosen. Äußerst nette Menschen" (10. Mai 1945).
Das Zusammenleben mit anderen Flüchtenden ist ein regelmäßiges Thema der Schilderungen, wobei Edith W. auch von Streichen berichtete, die sie mit einer Freundin verübt hat: "HG. […] ärgert uns. Wir nähen ihm die Decke zusammen und sticken ein Gedicht hinein. Es wird finster und er schimpft beim auftrennen sehr viel. Wir gehen schlafen, die Muttis sind bei den Nachbarsoldaten eingeladen, weil sie ihnen gekocht haben" (15. Mai 1945). Dokumentiert sind weiters die Versorgung an den verschiedenen Orten sowie Arbeiten, die (vermutlich) als Gegenleistung für die Unterkunft in Gasthäusern und auf Bauernhöfen geleistet wurden: "Wir helfen im Heu. Nachmittag tragen wir die Jause auf das Feld. Am Abend wird wieder getanzt" (14. Juni 1945). Ausführlich geschildert sind zudem Freizeitaktivitäten, insbesondere die Abendunterhaltungen u.a. mit amerikanischen Soldaten: "Wir essen sehr gut bei einem Bauern und schlafen 5 Personen in 2 Betten. Die FL. ist wütend, weil sie im Stroh schlafen muß. Spät noch kommen Amis. Es wird sehr lustig, so lustig, daß uns die Amis fragen, ob meine Mutti vom Theater ist, weil sie alles so gut bringt. Dabei haben sie kein Wort deutsch verstanden" (24. Mai 1945). Weitere Themen sind die unter den Flüchtenden kursierende Krankheiten (Typhus) und die Suche nach dem zuvor als Wehrmachtssoldaten eingesetzten Vater. |